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Die Kunst der Reetdachkonstruktion: Einblicke und Entscheidungshilfen

Das Reetdach: Definition, Bauweise, Vor- und Nachteile

Das Reetdach zählt zu den ältesten Dachkonstruktionen weltweit und erfreut sich vor allem in den Küstenregionen Norddeutschlands großer Beliebtheit. In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte über Reetdächer, von der Definition bis zu den Vor- und Nachteilen, um Ihnen bei einer möglichen Entscheidung für diese einzigartige Dachform zu helfen.

 

Definition: Reetdach

Ein Reetdach besteht aus Schilfrohr, das an Ufern wächst und zur Familie der Süßgräser gehört. Dieses Schilfrohr, auch Reet genannt, kann bis zu fünf Meter hoch werden und hat eine wichtige ökologische Funktion: Es filtert Schadstoffe aus dem Wasser und trägt so zur Verbesserung der Wasserqualität bei. Getrocknetes Reet wird seit langem zur Dachdeckung verwendet und gehört zu den ältesten Handwerkstechniken in der Architektur. 2014 wurde die Reetdachdeckerei von der UNESCO als Kulturerbe anerkannt.

Während Reet früher vor allem wegen seiner lokalen Verfügbarkeit und isolierenden Eigenschaften genutzt wurde, muss es heute oft importiert werden, da die Nachfrage das Angebot übersteigt. Neben dem Dachbau findet Reet auch Verwendung als Füllmaterial in Trenn- und Leichtbauwänden.

 

Die Bauweise des Reetdachs

Die Konstruktion eines Reetdachs erfordert besondere Aufmerksamkeit. Das Reet wird in gebündelten Formen geliefert und auf den Dachlatten verteilt, um eine gleichmäßige Fläche zu bilden. Wichtig ist, dass das Reet vor der Verarbeitung nicht chemisch behandelt wurde und das Dach eine Neigung von mindestens 45 Grad aufweist. Ein steiler Winkel ermöglicht es Regenwasser, Schnee und Blättern leichter abzurutschen.

In der Regel wird für Reetdächer eine Kaltdachkonstruktion gewählt, bei der das Dachgeschoss unausgebaut bleibt. Diese Konstruktion sorgt für eine bessere Belüftung, da zwischen der wärmedämmenden Schicht und der Dachabdichtung eine Luftschicht vorhanden ist. Bei ausgebauten Dachgeschossen erfordert dies eine zweischalige Konstruktion, um die Luftzirkulation aufrechtzuerhalten.

Es gibt drei verschiedene Arten, ein Reetdach zu konstruieren: gebunden, genäht und geschraubt. Bei einem gebundenen Reetdach wird das Reet lediglich mit einem Vorlagedraht an die Dachlatten gebunden. Ein geschraubtes Reetdach wird zusätzlich an die Dachlatten angeschraubt, während bei einem genähten Reetdach Draht ohne Vorlagedraht verwendet wird.

 

Die Vorteile des Reetdachs

Reet zeichnet sich durch seine Elastizität, Festigkeit und Tragfähigkeit aus. Es ist besonders wasserresistent und elastisch aufgrund seines hohen Siliziumgehalts. Die Hohlräume im Schilfrohr sorgen für einen langsamen Temperaturausgleich und damit für eine ausgezeichnete Isolierung gegen Hitze, Kälte, Schnee und Regen. Dies ermöglicht eine natürliche Zirkulation von Wärme und Kälte im Haus, was ein angenehmes Raumklima in jeder Jahreszeit schafft.

Zusätzlich bietet Reet hervorragenden Schallschutz, da die Hohlräume die Übertragung von Schallwellen behindern. Die parallel verflochtenen Stränge des Reets machen es zudem elastisch und biegsam, was eine gleichmäßige, wasserabweisende Dachfläche gewährleistet.

 

Die Nachteile des Reetdachs

Die Entscheidung für ein Reetdach geht mit einigen Nachteilen einher. Die Kosten für ein Reetdach sind in der Regel doppelt so hoch wie für ein herkömmliches Satteldach mit Ziegeln. Diese Kosten umfassen nicht nur das importierte Material, sondern auch die aufwändige Konstruktion und die längere Bauzeit. Darüber hinaus erfordert das organische Material eine jährliche Überprüfung auf Schimmel und Schädlinge, um die Haltbarkeit des Daches sicherzustellen.

Da Reet natürlich leichter entflammbar ist als andere Baustoffe, ist es empfehlenswert, eine Gebäudeversicherung abzuschließen, um finanziell abgesichert zu sein. Dies ist insbesondere wichtig, da die durchschnittliche Lebensdauer eines Reetdachs bis zu 50 Jahre beträgt.

 

Wann entscheide ich mich für ein Reetdach?

Die Wahl eines Reetdachs für Neubauten ist heute eher selten. Die hohen Kosten, lange Bauzeiten und der Pflegeaufwand sind entscheidende Faktoren. Meist spielt die ästhetische Anziehungskraft des Reetdachs eine Rolle bei der Entscheidung. Reetdächer verleihen dem Haus einen besonderen Charme und gelten als gesunde, natürliche Wohnoption ohne chemische Zusatzstoffe.

Bei der Entscheidung für ein Reetdach sollte auch die Lage des Hauses berücksichtigt werden. In stark bewaldeten Gebieten kann das Dach leicht von Schimmel oder Schädlingen befallen werden, was die Lebensdauer verkürzt und den Pflegeaufwand erhöht. Es ist ratsam, die Genehmigungsfähigkeit der geplanten Dachform vor dem Einreichen der Bauantragsunterlagen mit der Genehmigungsbehörde zu klären.

 

Fazit

Ein Reetdach ist eine einzigartige Dachkonstruktion mit Vor- aber auch Nachteilen. Es bietet ein angenehmes Wohnklima, exzellente Isolierung und Schallschutz, aber geht mit hohen Kosten und einem gewissen Pflegeaufwand einher.

Die Wahl eines Reetdachs sollte daher gut durchdacht sein und hängt oft von ästhetischen Präferenzen sowie der Lage des Hauses ab.