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Nov

Heute: Was ist ein Umgebindehaus

Umgebindehäuser sind eine faszinierende architektonische Erscheinung, die vor allem in den ländlichen Regionen Mitteleuropas, insbesondere in Deutschland, Tschechien und Polen, zu finden sind. Dieser traditionelle Baustil ist charakterisiert durch die harmonische Kombination von Fachwerk und massivem Steinbau in einem einzigen Gebäude. Diese einzigartige Bauweise spiegelt die Geschichte und die regionale Vielfalt dieser Regionen wider.

Die Hauptmerkmale eines Umgebindehauses:

  1. Fachwerk: Ein bedeutender Teil des Hauses besteht aus Fachwerk, einer Konstruktion aus Holzbalken und Holzstützen, die in verschiedenen geometrischen Mustern miteinander verbunden sind. Diese Holzstruktur bildet die äußere Hülle des Gebäudes und verleiht ihm sein charakteristisches Aussehen.

  2. Massiver Steinbau: Der andere Teil des Umgebindehauses besteht aus massiven Steinmauern, die oft aus Sandstein oder anderen regionalen Steinsorten gefertigt sind. Diese Steinmauern dienen als Tragwerk des Gebäudes und sorgen für Stabilität und Wärmeisolierung.

  3. Umgebinde: Der Name "Umgebindehaus" leitet sich von der besonderen Konstruktion ab, bei der das Fachwerk das massive Mauerwerk "umgibt" oder "einrahmt". Das Fachwerk bildet somit eine Art äußeren Rahmen für die Steinmauern, was dem Haus seine charakteristische Optik verleiht.

  4. Regionale Vielfalt: Die Details und Verzierungen von Umgebindehäusern können von Region zu Region variieren. Es gibt verschiedene Stilrichtungen und Gestaltungen, die in verschiedenen Gegenden vorkommen, was jedem Umgebindehaus eine einzigartige Note verleiht.

     

Entstehung und Bauweise:

Die Geschichte der Umgebindehäuser reicht weit zurück. Die Konstruktion hat ihre Wurzeln in der slawischen Bevölkerung, die in den regionalen Klimazonen eine Bauweise namens Blockstube entwickelte. Als deutsche Siedler im 13. Jahrhundert in diese Regionen kamen, brachten sie das Fachwerk mit, eine stabile und holzsparende Bauweise, die es ermöglichte, mehrstöckige Gebäude zu errichten. Die Verschmelzung dieser beiden Baustile war nicht einfach, da die Holzverbindungen von Fachwerk mit dem Faserverlauf des Holzes in Steinmauern nicht kompatibel waren. Über Jahrhunderte hinweg entwickelten lokale Handwerker das Umgebinde als eigene Volksbauweise. Im späten 18. Jahrhundert entstand schließlich der typische Umgebindebogen, der diesen Häusern ihren Namen gab. Diese Innovation verband Funktionalität und Haltbarkeit mit ästhetischer Schönheit.

 

Besonderheiten:

Umgebindehäuser sind nicht nur für ihre einzigartige Bauweise bekannt, sondern auch für ihre künstlerischen Elemente. Viele dieser Häuser weisen Türstöcke aus Granit oder Sandstein auf, oft mit der Jahreszahl der Erbauung des Gebäudes verziert. Diese Türstöcke repräsentierten oft den gesellschaftlichen Status der Hausbesitzer. Weitere typische Merkmale sind Holzverschläge, wie der Oberlausitzer Verschlag, sowie Verschieferungen. In einigen Fällen sind Sonnen (strahlenförmige Holzverschläge am Giebel), Blitzschlangen (schlangenförmige Muster am Giebel, die auf eine heidnische Wassergottheit zurückgehen) und Sonnenuhren zu finden.

 

Heutige Situation:

Heute gibt es zahlreiche Initiativen, die sich der Erforschung und Erhaltung der historischen Umgebindehäuser in der südlichen Oberlausitz, sowie den angrenzenden schlesischen und nordböhmischen Gebieten verschrieben haben. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 19.000 dieser einzigartigen Häuser im "Umgebindeland" erhalten geblieben sind, wobei allein in der Oberlausitz noch über 6.000 Umgebindehäuser stehen. Zwischen den Städten Bautzen, Görlitz und Zittau findet man eine der wenigen noch erhaltenen geschlossenen Hauslandschaften in Deutschland.

Organisationen wie der "Sächsische Verein für Volksbauweise e. V." beraten Eigentümer bei Sanierungsfragen und tragen dazu bei, diese einzigartige Bauweise zu bewahren. Denkmalschützer wie Karl Bernert haben ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung vieler Umgebindehäuser geleistet und Publikationen zu diesem Thema veröffentlicht.

Leider sind nicht alle Umgebindehäuser heute noch in ihrem ursprünglichen Zustand zu erkennen. Die Modernisierungswellen, insbesondere die jüngste mit Angeboten von Fertigprodukten aus Baumärkten, haben viele dieser Häuser und ihre historischen Fassaden verändert oder gar zerstört. Traditionelle Holzkastenfenster wurden oft durch Kunststofffenster ersetzt, obwohl die Holzkastenfenster aufgrund ihres Luftpolsters eine bessere Isolierung bieten und länger haltbar sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Holz ein atmendes Isoliermaterial ist, während die Verwendung von Schaumstoffen und künstlichen Klinkern oft zu Feuchtigkeitsschäden durch Überisolierung führt.

Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Faszination für Umgebindehäuser ungebrochen, und sie sind ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes dieser Regionen. Bekannte Umgebindehäuser wie das Reiterhaus in Neusalza-Spremberg und das "Schunkelhaus" in Obercunnersdorf stehen als Zeugen der Geschichte und der einzigartigen Architekturtradition dieser Regionen.