01
Oct

Ohne Schaden ein altes Bauernhaus dämmen

Es gibt Menschen, die lieber ein neues geradliniges Haus beziehen. Dann gibt es noch die Liebhaber von altertümlichen Bauernhäusern, meist Fachwerkhäuser, die die von diesen Gebäuden ausgehende Schönheit und Ausdruckskraft schätzen. Ein Fachwerkhaus überzeugt die Kenner nicht nur durch Eleganz, sondern diese Häuser stellen einen besonderen langfristigen Wert als Kulturdenkmal dar.

Fachwerkhäuser sind wahre Juwelen der Architektur und repräsentieren ein bedeutendes Stück unserer Kulturgeschichte. Mit ihrer charakteristischen Optik, den sichtbaren Holzbalken und den dazwischen liegenden Gefachen, verleihen sie unseren Städten und Dörfern einen unverwechselbaren Charme. Diese historischen Gebäude erzählen Geschichten vergangener Zeiten und sind lebendige Zeugen handwerklicher Meisterschaft.

Doch so bezaubernd diese Häuser auch sind, sie stellen ihre Besitzer oft vor erhebliche Herausforderungen, insbesondere wenn es um die energetische Sanierung geht. Die richtige Dämmung ist dabei von entscheidender Bedeutung. Sie soll einerseits den Energieverbrauch senken und den Wohnkomfort erhöhen, andererseits aber auch die historische Bausubstanz schützen und den einzigartigen Charakter des Hauses bewahren.

 

Die Besonderheiten von Fachwerkhäusern

Um ein Fachwerkhaus fachgerecht zu dämmen, ist es unerlässlich, die Besonderheiten dieser traditionellen Bauweise zu verstehen. Fachwerkhäuser bestehen aus einem komplexen Holzgerüst, dessen Zwischenräume, die sogenannten Gefache, mit verschiedenen Materialien ausgefüllt sind. Traditionell wurden hierfür Lehm, Stroh, Ziegelsteine oder Bimssteine verwendet. Diese Konstruktion verleiht dem Haus eine gewisse Flexibilität, macht es aber auch anfällig für Wärmeverluste und Feuchtigkeitsprobleme.

Ein entscheidender Aspekt bei Fachwerkhäusern ist ihre Fähigkeit zu "atmen". Dies bedeutet, dass die verwendeten Materialien Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben können. Dieser natürliche Feuchtigkeitsaustausch ist essenziell für die Langlebigkeit der Konstruktion. Wird diese Fähigkeit durch falsche Dämmmaßnahmen beeinträchtigt, kann es zu schwerwiegenden Schäden wie Fäulnis im Holz, Schimmelbildung oder sogar strukturellen Problemen kommen.

 

Die Wahl der Dämmmethode: Innendämmung vs. Außendämmung

Bei Fachwerkhäusern wird in der Regel die Innendämmung bevorzugt. Der Hauptgrund dafür ist der Erhalt der charakteristischen Fassade. Eine Außendämmung würde das typische Erscheinungsbild des Fachwerkhauses zerstören und ist oft auch aus denkmalschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig. Zudem würde eine Außendämmung die natürliche Austrocknung der Fachwerkwände nach außen behindern, was zu Feuchteschäden führen könnte.

Die Innendämmung bietet mehrere Vorteile:

1. Erhalt der historischen Fassade

2. Möglichkeit zur schrittweisen Sanierung Raum für Raum

3. Schnellere Aufheizung der Räume, da die Wände nicht mehr als Wärmespeicher fungieren

 

Allerdings bringt die Innendämmung auch Herausforderungen mit sich:

1. Reduzierung des Wohnraums

2. Risiko von Wärmebrücken, insbesondere an Anschlussstellen und Durchdringungen

3. Mögliche Verschiebung des Taupunkts in die Konstruktion, was zu Feuchteproblemen führen kann

 

Geeignete Dämmmaterialien für Fachwerkhäuser

Für die Dämmung von Fachwerkhäusern eignen sich besonders gut natürliche und diffusionsoffene Materialien. Diese ermöglichen einen Feuchtigkeitsaustausch und harmonieren gut mit der ursprünglichen Bauweise. Zu den empfehlenswerten Materialien gehören:

 

1. Holzfaserplatten:

Diese Platten bestehen aus natürlichen Holzfasern und bieten eine gute Wärmedämmung bei gleichzeitiger Feuchtigkeitsregulierung. Sie haben eine hohe Wärmespeicherfähigkeit und sorgen für ein angenehmes Raumklima. Holzfaserplatten werden oft in Kombination mit einem Lehm- oder Kalkputz verwendet.

 

2. Zelluloseflocken:

Hierbei handelt es sich um ein recyceltes Produkt aus Altpapier. Die Flocken können in Hohlräume eingeblasen werden und passen sich gut an Unebenheiten an. Sie haben gute wärmedämmende Eigenschaften und können Feuchtigkeit gut aufnehmen und wieder abgeben.

 

3. Hanf:

Dieser natürliche Dämmstoff hat hervorragende wärmedämmende Eigenschaften und kann Feuchtigkeit gut regulieren. Hanfdämmung ist resistent gegen Schimmel und Schädlinge und hat eine lange Lebensdauer.

 

4. Leichtlehm und Schilfrohr:

Diese traditionellen Materialien werden schon seit Jahrhunderten im Fachwerkbau verwendet. Sie bieten zwar eine geringere Dämmwirkung als moderne Materialien, fügen sich aber optimal in die bestehende Bausubstanz ein und unterstützen das natürliche Feuchtigkeitsmanagement des Hauses.

 

5. Schafwolle:

Ein weiterer natürlicher Dämmstoff mit guten feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften. Schafwolle kann Feuchtigkeit aufnehmen, ohne ihre dämmende Wirkung zu verlieren.

 

Praktische Umsetzung der Dämmung

Bei der Dämmung eines Fachwerkhauses ist es wichtig, systematisch und sorgfältig vorzugehen. Hier ein detaillierter Ablauf für eine Innendämmung mit Holzfaserplatten:

 

1. Vorbereitung der Wand:

   - Entfernen Sie alte Tapeten, lose Putzstellen und andere Wandbeläge.

   - Untersuchen Sie die Wand gründlich auf Schäden, Risse oder Feuchtigkeit.

   - Reparieren Sie eventuelle Schäden und lassen Sie die Wand gut austrocknen.

 

2. Anbringen der Dämmplatten:

   - Verwenden Sie einen speziellen Lehmmörtel oder Klebemörtel, um die Holzfaserplatten vollflächig an die Wand zu kleben.

   - Achten Sie darauf, dass keine Hohlräume entstehen, die zu Wärmebrücken führen könnten.

   - Verwenden Sie Platten mit einer maximalen Stärke von 6-8 cm, um die Diffusionsfähigkeit der Wand nicht zu stark zu beeinträchtigen.

 

3. Verputzen der Dämmplatten:

   - Tragen Sie einen diffusionsoffenen Lehm- oder Kalkputz über die Dämmplatten auf.

   - Diese Putze unterstützen die Feuchtigkeitsregulierung und sorgen für ein angenehmes Raumklima.

 

4. Installation einer Wandheizung (optional):

   - Eine Wandheizung kann die Wärmeverteilung verbessern und hilft, die Wände trocken zu halten.

   - Sie wird direkt auf die Dämmplatten aufgebracht und dann überputzt.

 

5. Endbearbeitung:

   - Nach dem Trocknen des Putzes kann die Wand nach Wunsch gestrichen oder tapeziert werden.

   - Verwenden Sie hierfür diffusionsoffene Farben oder Tapeten, um die Atmungsaktivität der Wand nicht zu beeinträchtigen.

 

Wichtige Aspekte zu beachten

Bei der Dämmung von Fachwerkhäusern gibt es einige kritische Punkte, die besondere Aufmerksamkeit erfordern:

 

1. Dampfbremse:

Im Gegensatz zu modernen Häusern wird bei Fachwerkhäusern von einer starken Dampfbremse oder gar einer Dampfsperre abgeraten. Diese können die natürliche Feuchtigkeitsregulierung behindern und zu Feuchteschäden führen. Stattdessen sollten diffusionsoffene Materialien verwendet werden, die einen kontrollierten Feuchtigkeitsaustausch ermöglichen.

 

2. Schlagregenschutz:

Ein ausreichender Dachüberstand und die sorgfältige Abdichtung von Fugen im Fachwerk sind wichtig, um das Eindringen von Regenwasser zu verhindern. Besonders die Wetterseite des Hauses sollte gut geschützt sein. In manchen Fällen kann auch ein wasserabweisender, aber dampfdurchlässiger Anstrich der Fassade sinnvoll sein.

 

3. Lüftung:

Eine gute Belüftung ist essentiell, um überschüssige Feuchtigkeit abzuführen. Es empfiehlt sich, regelmäßig stoßzulüften, indem man mehrmals täglich für einige Minuten die Fenster weit öffnet. In manchen Fällen kann auch die Installation einer kontrollierten Wohnraumlüftung sinnvoll sein, um ein optimales Raumklima zu gewährleisten.

 

4. Wärmebrücken:

Besondere Aufmerksamkeit sollte den Anschlussstellen zwischen Wänden, Decken und Fenstern gewidmet werden. Hier können leicht Wärmebrücken entstehen, die zu Energieverlusten und Feuchteproblemen führen. Eine sorgfältige Planung und Ausführung der Dämmmaßnahmen an diesen kritischen Stellen ist unerlässlich.

 

5. Fenster und Türen:

Auch die Fenster und Türen eines Fachwerkhauses tragen erheblich zum Wärmeverlust bei. Hier kann eine Erneuerung oder zumindest eine Abdichtung sinnvoll sein. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die neuen Fenster und Türen zum Stil des Hauses passen und gegebenenfalls den Anforderungen des Denkmalschutzes entsprechen.

 

6. Fachkundige Beratung:

Aufgrund der Komplexität der Materie ist es dringend zu empfehlen, einen erfahrenen Fachmann hinzuzuziehen. Ein Experte für historische Gebäude oder ein spezialisierter Energieberater kann die spezifischen Gegebenheiten des Hauses beurteilen und einen maßgeschneiderten Dämmplan erstellen. Dies hilft, kostspielige Fehler zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Dämmmaßnahmen optimal auf das jeweilige Gebäude abgestimmt sind.

 

Rechtliche und finanzielle Aspekte

Bei der Sanierung eines Fachwerkhauses sind auch rechtliche und finanzielle Aspekte zu berücksichtigen:

 

1. Denkmalschutz:

Viele Fachwerkhäuser stehen unter Denkmalschutz. In diesem Fall müssen alle geplanten Maßnahmen mit der zuständigen Denkmalbehörde abgestimmt werden. Dies kann die Auswahl der Dämmmaterialien und -methoden einschränken, gewährleistet aber den Erhalt des historischen Charakters des Gebäudes.

 

2. Energieeinsparverordnung (EnEV):

Auch wenn für denkmalgeschützte Gebäude oft Ausnahmen gelten, sollten die Anforderungen der EnEV bei der Planung der Dämmmaßnahmen berücksichtigt werden. Eine energetische Sanierung kann langfristig zu erheblichen Einsparungen bei den Heizkosten führen.

 

3. Förderungen:

Für die energetische Sanierung von Altbauten, insbesondere von denkmalgeschützten Gebäuden, gibt es oft attraktive Förderprogramme. Diese können von zinsgünstigen Krediten bis hin zu direkten Zuschüssen reichen. Es lohnt sich, sich bei der KfW-Bank, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) oder den lokalen Behörden über mögliche Fördermittel zu informieren.

 

Fazit

Die Dämmung eines Fachwerkhauses ist zweifellos eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Fachwissen, Sorgfalt und oft auch Kompromissbereitschaft erfordert. Mit den richtigen Materialien und Methoden ist es jedoch möglich, den Energieverbrauch deutlich zu senken und gleichzeitig den Charakter und die Bausubstanz des Hauses zu erhalten.

Eine gut durchgeführte Dämmung erhöht nicht nur den Wohnkomfort und senkt die Heizkosten, sondern trägt auch dazu bei, diese wertvollen Zeugnisse unserer Baukultur für zukünftige Generationen zu bewahren. Sie ist eine Investition in die Zukunft, die sich sowohl finanziell als auch in Bezug auf die Lebensqualität auszahlt.

Letztendlich geht es darum, einen ausgewogenen Kompromiss zwischen modernen Anforderungen an Energieeffizienz und dem Respekt vor der historischen Bausubstanz zu finden. Mit der richtigen Herangehensweise und fachkundiger Unterstützung kann ein Fachwerkhaus zu einem komfortablen, energieeffizienten Zuhause werden, das gleichzeitig seinen einzigartigen historischen Charme bewahrt.

 

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