Wenn Ambitionen verpuffen: Der Wohnungsbau‑Turbo im Koalitionsvertrag 2025 unter der Lupe
Einleitung
SPD, CDU und CSU rühmen sich im Koalitionspapier, Deutschlands Wohnungsmarkt mit einer „Neubauoffensive“ von jährlich 400.000 Wohnungen zu entlasten, davon 100.000 öffentlich gefördert. Angesichts explodierender Mieten und chronischer Wohnraumknappheit wirkt dieses Versprechen wie ein längst überfälliger Befreiungsschlag. Doch das Kapitel „Bauen und Wohnen“ entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein ambitioniertes Wunschkonzert, das hinter mächtigen Zielzahlen vor allem vage Ankündigungen und unklare Finanzierungskonzepte versteckt.
Diffuse Finanzierungsversprechen
Ein 500‑Milliarden‑Euro‑Sondervermögen soll „aufgelegt“ werden, um den Bau‑ und Wohnungsmarkt mit frischen Geldern zu versorgen. Doch der Vertrag schweigt zu entscheidenden Fragen: Wer erhält Zugriff auf welche Mittel? Nach welchen Kriterien werden Projekte ausgewählt? Und wer haftet, wenn Baukosten explodieren oder Genehmigungsverfahren ins Stocken geraten? Ohne transparente Verteilungs‑ und Kontrollmechanismen bleibt auch dieses Heilsversprechen vage.
Baugesetzbuch‑Reform: Rhetorik statt Substanz
Die angekündigte Novelle des Baugesetzbuchs seziert bürokratische Hürden an Schlagworten wie „digitale Aktenführung“, „Standardbaupläne“ und „Fristensanktionen“. Verbindliche Fristen, die Kommunen zu zügigen Entscheidungen zwingen, fehlen allerdings ebenso wie eine klare Aufgabentrennung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Damit droht das föderale Genehmigungskarussell auch künftig nicht schneller zu laufen, selbst wenn man die Zahnräder digitalisiert.
Fachkräftemangel: Der unbeachtete Engpass
Zwar erkennt der Koalitionsvertrag an, dass Aus- und Weiterbildung sowie Anerkennung ausländischer Abschlüsse zentrale Stellschrauben sind. Doch konkrete Zielgrößen für Ausbildungsplätze oder verkürzte Anerkennungsverfahren sucht man vergeblich. Wie sollen ohne ausreichend Personal im Bau- und Handwerksbereich doppelt so viele Wohnungen entstehen? Dieser ungelöste Engpass untergräbt die Glaubwürdigkeit aller Ankündigungen.
Klimaziele ohne Kostensicherung
Ab 2025 sollen Neubauten mindestens 65 Prozent ihrer Heizenergie aus erneuerbaren Quellen beziehen, energetische Sanierungen geraten dadurch stärker in den Fokus. Doch während Klimaschutzstandards hochgeschraubt werden, bleibt die Frage offen, wer die Mehrkosten für sozial gebundene Wohnungen trägt. Die Gefahr ist groß, dass ambitionierte Umweltauflagen bezahlbaren Wohnraum weiter verteuern, wenn nicht parallel eine Finanzierungsbrücke geschlagen wird.
Mietrechtliche Instrumente im Zwischenreich
Verlängerung und Verschärfung der Mietpreisbremse sowie kommunale Vorkaufsrechte sollen Mieter entlasten. Doch kritische Stimmen, vom Deutschen Mieterbund bis zur Haus‑& Grund‑Lobby, attestieren den bisherigen Instrumenten eine blasse Wirkung. Ohne wirksamen Mietendeckel und spürbare Neubauentlastung könnten viele Haushalte weiter unter steigenden Kosten leiden, während Investoren abgeschreckt bleiben.
Praxisbilanzen belegen die Zweifel
Bereits in Berlin, einem Modellfall für beschleunigten Wohnungsbau, stagniert die Zahl genehmigter Einheiten seit Jahren bei rund 17000 pro Jahr – weit entfernt vom erhofften „Turbo“. Modulare Bauweisen, die Tempo und Kosteneffizienz versprechen, stecken fest, weil Fertigungskapazitäten fehlen und die Kommunalverwaltungen keine standardisierten Verfahren nutzen. Gewerkschaften wie die IG BAU fordern deshalb längst verbindliche Zahlen statt unverbindlicher Wohlfühlprosa.
Ausblick: Was jetzt fehlt
Damit das Koalitionspapier mehr wird als ein schmucker Entwurf, braucht es verbindliche Meilensteine: Quartalsberichte mit automatischen Eskalationsmechanismen bei Zielverfehlungen, zentrale Monitoring‑Stellen für das Sondervermögen und standardisierte Planungsleitfäden für jede Kommune. Eine konsequente Fachkräfteoffensive und die Einführung echter Wohngemeinnützigkeit mit strikten Sozialbindungen würden das Papier von einem rhetorischen Papiertiger zum wirksamen Instrument machen. Nur so kann aus der großen Ankündigung wirklich greifbarer Wohnraum für Millionen Haushalte entstehen.